1980er - Tru Tune Tremolo, Eddie Van Halen, Produktion



1980 - TTT – TRU TUNE TREMOLO

TTT S-Style


Von Anfang an lag mir hauptsächlich die Produktentwicklung am Herzen und hatte gerade auf der Stratocaster von Matthias Jabs das neue, erste, Floyd-Rose-Tremolo entdeckt. Ein totaler Insider-Tipp: kompromissloses Festklemmen der Saiten an beiden Enden (Sattel und Bridge). Matthias, der damals oft hereinschneite, war zurecht begeistert davon,  bemängelte aber zugleich die Idee: Sollte sich mal eine Saite verstimmen – was ja bei extremem Saiten-Ziehen durchaus passieren kann -, so musste man die Klemm-Arretierung am Sattel erst zeitraubend und umständlich per Inbusschlüssel lösen musste, um nachzustimmen.

So kam ich auf die Idee mit den Feinstimmern: Klemmen nur am Sattel (der ja samt Mechaniken immer ein gewisses Reibungsproblem darstellte). Nachstimmen am Tremolo mittels Feinstimmern, (die ja von Streichinstrumenten bereits bekannt waren). Das Rockinger TRU TUNE TREMOLO war geboren! Das funktionierte tadellos. Und um die Sache auf die Spitze zu treiben, hatten wir einen kleinen Inbusschlüsselhalter entwickelt, der auf der Kopfplattenrückseite angeschraubt wurde, um die nötigen Klemmschlüssel zu beherbergen. Dieser Schlüsselhalter wird übrigens bis heute von mehreren asiatischen Firmen kopiert.
TTT-Patent
Keyholder S-Style
Kurz drauf hatten wir unseren ersten Stand auf der Frankfurter Musikmesse – ein echtes Abenteuer! Harald hatte als nunmehr freier Mitarbeiter eine Art Hawai-Feeling mit Kunstpalmen für den Stand kreiert. Unser Nachbar war KRAMER-USA. Deren Chef, Dennis Berardi, sah unser Tremolo und war fasziniert. Jawoll: Die Amis waren begeistert von unseren Fine-Tune-Tremolos und den Pickguards in „mint-green“. Ruck zuck Vertrag aufgesetzt und wir mussten die Produktionsmenge erheblich erhöhen.
Musikmesse Frankfurt
Dennis Berrardi konnte sofort Edward Van Halen (erster Floyd Rose Befürworter) für begeistern, und unser Rockinger-Tremolo kam dann in den USA als „Edward Van Halen Tremolo“ auf den Markt. Allen anderen deutschen Gitarrenfirmen und natürlich auch den Zulieferern ging es ob der japanischen Konkurrenz äußerst dreckig in diesen Zeiten. Umso mehr jubilierte die Hardware Company, weil wir andauernd Aufträge für hunderte dieser Trems einreichten, wunderbar! Das war ein gutes Jahr!
TTT Kramer


Im Leben läuft nicht alles glatt (nur als Warnung, falls es jemandem noch nicht aufgefallen ist …). Dazu gehören natürlich auch verpasste Gelegenheiten. So wurde mir ein historisch wichtiges Gespräch mit Keith Richards und Ron Wood verhagelt. Just in dem Moment, als wir uns die Hände geschüttelt haben, rief mich mein Geschäftspartner Ingo auf dem Handy an, dass er jetzt am Backstage-Eingangsbereich der Halle stünde und ob ich ihn reinholen könnte. Also entschuldigte ich mich bei den beiden Stones und sagte: „Kleinen Moment, ich bin sofort wieder da. Ist viel besser, wenn wir alle Vier zusammen reden.“ Aber damit war die Sache gelaufen. Als ich Ingo endlich in der Meet & Greet-Lounge hatte, waren Keith und Ronnie längst nicht mehr zu haben. Sowas passiert halt, und man kann sich im Nachhinein darüber ärgern. Das ist wie wenn einem der Rasierpinsel ins Klo gefallen ist. Doch was soll’s, muss man auch mal wegstecken können. Es gibt weitaus Schlimmeres, als kein Gespräch mit Keith und Ron. (Aber Eddie van Halen, den wollte ich unbedingt mal kennenlernen. Dann würde ich auch mein Handy zuvor ausschalten. Versprochen!)

Die "Rillen"-Pickguards

Harald Hatte mal eine heiße Idee für Keith Richards, der ja, wie man wusste, keinerlei Drogen abgeneigt war. So kam Harald auf  den Trichter, bei Müller & Sohn Tele-Pickguards aus Messing zu bestellen, in denen sich mehrere Rillen befanden, etwa wie die Rillen in damaligen Strat-Tremolos, in denen die Madenschrauben zur Höhenverstellung der Einzelböckchen geführt wurden. Aber diese Rillen waren bestimmt acht Zentimeter lang und natürlich tiefer, sodass man das Kokain aufs Pickguard streuen konnte, um es dann mit der Scheckkarte o.ä. über die Rillen zu ziehen, in denen es schön in-line verblieb, bis der Keith oder wer auch immer von den Stones mit dem Strohhalm kam, um es sich genüsslich in die Nase zu ziehen.

Wir haben diese Pickguards vor dem Konzert im Niedersachsenstadion über den Veranstalter zur Übergabe lanciert, aber leider nie eine Resonanz darauf erhalten, schade!


1982 – Rockinger USA – Bernard Ayling

Leider hatte auch Mister Floyd D. Rose nicht geschlafen, sondern seinerseits – unabhängig von uns – ein Feinstimmer-Tremolo entwickelt. Das kam uns auf einer Eröffnungsparty von Musicians Place „MP“, einem Musikgeschäft in Hannover, zu Ohren. Hiob, der Überbringer schlechter Nachrichten, hieß in diesem Falle Frank Untermayer und war Mitarbeiter der Firma Hamer. Und Hiob Frank legte nach: Kramer beabsichtigt, die Zusammenarbeit mit Rockinger einzustellen, um künftig nur noch mit Floyd Rose Geschäfte zu machen.“ Die Welt ist klein … Umgehend flogen Züli und ich nach New Jersey, USA, zu Kramer, um den Gerüchten auf den Grund zu gehen. Die Kramers versuchten natürlich, alles zu dementieren, oder wenigstens kleinzureden. Aber per Zufall entdeckten wir an einer Pinwand einen Hinweis auf die anstehende Floyd-Offensive. Klingt alles wie ein Spionage-Thriller, ich weiß …

Zufall: Ebenfalls in New Jersey, und ausgerechnet in Asbury Park, direkt in der Nähe der Kramer-Factory ansässig, war ein angesagter Vintage-Guitar-Dealer namens Bernard Ayling, der auf der Frankfurter Messe einen Teil unseres Standes belegt hatte. Er sprach fließend Deutsch, weil er zwölf Jahre im Saarland als Sohn eines amerikanischen Besatzungssoldaten lebte. Den haben wir kurzerhand besucht, und schilderten ihm unsere Situation. Und siehe da,  er bot sofort begeistert an, den USA-Vertrieb für unsere Tremolos zu übernehmen.
Bernard Ayling
Immerhin hatten uns die Kramers eine Telefonnummer von Eddies Management in Los Angeles überlassen, sodass wir kurzerhand einen Flug an die Westküste antraten. Der einzige Anlaufpunkt in L. A., den wir hatten, war eine Freundin unseres Bass-Spezialisten Henner.
Freeway Beach
Angela „Angie“ wohnte in einem baufälligen, aber wunderschönen spanischen Haus in der Whitley Terrace auf den Hollywood Hills bei einem irgendwie gestrandeten Filmproduzenten. Der Typ, der uns nach mehrmaligem Klingeln etwas verwirrt die Tür öffnete, musste wohl jener Produzent sein. Er bat uns höflich, in ein paar Stunden wieder zu kommen, da er gerade auf Acid und dies nicht der rechte Moment sei. „Ok, ok, we’ll come back later …“

So fuhren Züli und ich mit unserem Mietwagen nach Hollywood auf den Parkplatz von einem Liquor Store. Da haben wir uns mit ein paar Tüten hingehängt und einfach nur die Leute beobachtet. Das allein hatte schon was LSD-artiges. Ein nicht enden wollendes Gewusel von hektischen Gestalten in Form von abgefuckten, völlig fertigen Typen, Cabrio fahrenden Juppies, offenkundigen Drogendealern und Pausenclowns, die mit ihren arschteuren Ferraris und Lamborghinis ständig im Kreis zu fahren schienen, damit sie auch von wirklich jedem gesehen werden. Eben typisch Hollywood. Irgendwann hatten wir die Faxen dicke, unternahmen eine kleine Rundfahrt und fuhren anschließend gemächlich wieder zurück zur Whitley Terrace.
Whitley Terrasse
Dennis hieß der vermeintliche Filmproduzent und war wohl halbwegs runter gekommen von seinem Trip. Und auch Angela war da. Jawoll, im ersten Geschoss war ein freies Zimmer mit zwei Betten, wo wir bleiben konnten. Außerdem war man happy über unseren mitgebrachten Bierdosenvorrat, denn im Kühlschrank der beiden herrschte ziemliche Leere. Überhaupt schien dieser Dennis finanziell aus dem letzten Loch zu pfeifen.

Wir erzählten von unseren Eddie-Plänen und Dennis riet uns, gleich mal runter zum Sunset zu fahren. Da wären jede Menge Gitarrenläden. Wir uns also aufgemacht, und alsbald standen wir vor dem „Guitar Center“. Hinein mit uns, und da hingen sie, die Kramer-Gitarren mit unseren Tremolos. Darüber kamen wir mit einem der Verkäufer ins Gespräch, „ja, ja, Van Halen, wow! Und das Nächste, was er dann verlautbaren ließ, war, dass Eddie in wenigen Minuten hier erwartet würde, weil der was abzuholen hätte. Und du glaubst es nicht, sieben Minuten später schüttelten wir Eddie Van Halen die Hände. Super nett und als Holländer sogar der deutschen Sprache mächtig. Und "Conan The Barbarian" hatte gerade Film-Premiere!
Etwas merkwürdig ist mir aber in einem Interview, welches er nicht allzu lang vor seinem Tode gegeben hatte, aufgestoßen, dass er behauptete, er hätte die Idee zu den Feinstimmern gehabt. Das war nun definitiv meine Idee. Aber so wird Geschichte gern mal gebeugt!
Eddie van Halen
Dann haben wir ein bischen gefachsimpelt und erwähnt, dass wir im Auto eine Gitarre für ihn hätten, eine rot-weiß lackierte Starshape mit Tru Tune Tremolo. Wir also alle raus zu unserem Auto und die Starshape ausgepackt. Eddie, sowieso begeistert ob des Tru Tunes, und so kam es dann zu diesem schönen Foto auf dem Sunset Boulevard. Wir hatten quasi aus dem Nichts alles erreicht, was wir wollten. Und sogar noch etwas mehr … 

Auf dem Rückweg kauften wir noch ’ne Ladung Lebensmittel nebst Getränke und machten es uns bei Dennis und Angela auf der Terrasse gemütlich. Ein Wahnsinnsblick über L.A. … Ab und an schwirrte ein Kolibri heran, um sich an der eigens für ihn an einem Terrassen­pfosten angebrachten Trinkstation zu laben., Dabei stand er fast lautlos, wunderschön exotisch in der Luft und saugte mit dem langen, dünnen Schnabel Wasser aus der gläsernen Röhre. Wie ein großer Nacht­falter oder ein überdimensionales Tauben­schwänz­chen. Wo sieht man sonst schon mal ’nen Kolibri! Einfach wahnsinnig bizarr, diese kleinen Propellertiere.

San Francisco - John Cipolina

Ein paar Tage sind wir mit unserem Mietwagen rauf nach San Francisco gebrettert. Wir wollten John Cipolina besuchen, dem wir mal im Leine Domizil eins unserer Tremolos überlassen hatten. Übrigens vorher Gitarrist in der Gruppe „Quicksilver Messenger Service“ und dazu der Bruder des Bassisten Mario Cipolina, der bei Juey Louis diesen magischen Bass beisteuerte. John wohnte in Mill Valley, mal eben über die Golden Gate Bridge und noch ein bischen weiter. Ein idyllisches Dorf mit viel Wald, seine Mutter Italienerin, das ganze Haus voller Kochbücher, und John zeigte uns seine Gitarrensammlung. Der stand plötzlich auf, verschwand und kam dann mit einem Gitarrenkoffer zurück. Exotisches Zeugs, z.B. eine Gibson SG, an der er selbst mit dem Schnitzmesser wilde Ornamente ausgehoben hatte. Ein verrückter Freak, dem nichts heilig war. Und wir haben jede Menge Joints geraucht. Zuletzt kam er mit einem schmalen, rechteckigen Tweedcase zurück, machte es auf, und da drin war ein Jagdgewehr. Er erklärte, dass er mal in Mill Valley der Meister des Straßenlampen-Ausschiessens war. Alsbald waren wir total bedröhnt, verabschiedeten uns und machten uns auf den Heimweg ins Motel.

Stoneground & Rednecks


Züli hatte in einem San-Francisco-Magazin herausgefunden, dass seine schon immer favorisierte Gruppe Stoneground in einem Club in Petaluma auftreten würde. Stoneground war in den Hippiezeiten eine echt angesagte Band, die übrigens mal in dem Film „Drakula jagt Minimädchen“ mit Christopher Lee ein Debut als Partyband auf einer dekadenten Hippieparty hatten. Wir also ca. 50 Meilen nordwärts in diesen Ort und den Club gefunden. Stoneground war dezimiert auf ein Trio plus einer der vormals drei Sängerinnen, aber die machten einen guten Sound. Wir hatten uns vor dem Konzert kurz vorgestellt : Fans der ersten Stunde, Rockinger Tremolos, gerade bei John Cipolina gewesen, Eddie Van Halen getroffen ... Alles klar, wir waren akzeptiert.

In der Mitte des zweiten Sets spürten wir auf einmal merkwürdige Vibrations. Wir saßen auf einer gepolsterten Bank an der Wand und plötzlich kam über die Oberkante ein Aschenbecher hinter uns an, zielgerichtet geschleudert mit viel Kraft. Dann hörte ich links laut von weiter vorne: „Don’t know who is the woman and who is the man?“ Eieieei, mir wurde klar, dass uns da irgendwelche Rednecks für Schwule hielten. Wir sahen ja immerhin ein bischen anders aus als die Leute in dieser dörflichen Gegend.

Irgendwie muss die Band das mitgekriegt haben, und plötzlich spielten sie signalmäßig den Doors-Song „People Are Strange“. Ich wollte das aber auch nicht so stehen lassen, zumal ich wähnte, dass wir uns hier unwissend in eine prekäre Situation gebracht hatten und womöglich in schlechter Verfassung auf dem Boden des Bürgersteigs landen würden. Also bin ich da hin zu diesen Typen: „Habt Ihr irgendein Problem mit uns?“ Zum Glück haben die gleich geschnallt, das wir Ausländer, Deutsche sind und sich immerhin sofort entschuldigt. Der Rädelsführer bat mich dann, mit ihm auf die kleine Tanzfläche vor der Bühne zu gehen und einen Dance zu vollführen. Habe ich gemacht, mit dem Hintergedanken, dass der womöglich insbesondere vom anderen Ufer war. Verlogene Welt!

Na ja, wir sind da nochmal glimpflich davon gekommen. Aber Vorsicht in hinterwäldlerischen Orten mit faschistoiden Dörflern!

 

Back in Germany

Zurück in Deutschland lief alles weiter auf Erfolgskurs. Neben dem Tru-Tune hatteich weitere Locking-Tremolos entwickelt: den „Les Trem II (Les Trem I war ohne Feinstimmer), der genauso, ohne nur irgendetwas verändern zu müssen, in den Tailpiece-Hülsen einer Les Paul oder SG verankert werden konnte. Neu hinzu kam jetzt ein spezieller Rollensteg in den Maßen einer Tunamatic-Bridge, der schon damals sowohl eine seitliche Arretierungsmöglichkeit, sowie zwei Madenschrauben zum Festsetzen hatte. Ich weiß bis heute nicht, auf was die Firma  „TonePros“ da für ein „Patent“ drauf haben soll. Außerdem bin ich absolut der Meinung, dass eine „normale“ Tunamatic-Bridge, die sich beim Tremolieren mitbewegt, wesentlich besser funktioniert.

Röllchen rollen selten gut. Meistens neigen sie zum Klappern oder Klemmen. Aber das war nicht der Zeitgeist von damals. Eine echte Herausforderung: Telecaster mit Tremolo: Ich hörte nicht auf zu grübeln … Mit Erfolg: Nach einigem Hin und Her hatten wir den Prototyp („Tellybrator“) fertiggestellt. Ein Locking-Tremolo, welches genau auf eine Tele passte. Allerdings musste man zunächst für die unter der Grundplatte befindliche Druckfeder ein Loch mit 20 Millimeter Durchmesser bohren, was aber von außen nicht zu sehen war. Mit dem Tellybrator und weiteren Parts haben wir natürlich auch unser USA-Business noch kräftiger angekurbelt.

Made in Germany

Züli und ich mit Daimler
Mein Freund, der „Doc“, alias Klaus Peter Reinicke, brachte mich auf die Idee, die Automarke Mercedes in unsere Werbekampagne mit einzubeziehen. „Für die Amis ist doch Mercedes das Symbol für deutsche Wertarbeit schlechthin!“ So kam es zu dem Spruch „It’s not only Mercedes which makes German products famous“. Züli und ich posierten – beide mit Gitarre – vor unserem hannöverschen neo-klassizistischen Rathaus auf der Motorhaube eines 1968er Doppellampen-Mercedes 280-SE und verkündeten, dass wir neben Sauerkrautverzehrs auch hervorragende Tremolos designten.
Tru Tone USA
Unser Erfolg war verblüffend, wobei Bernard Ayling diverse Briefe von Marketing- und Anzeigen-Agenturen bekam, dass „so eine Anzeige überhaupt nicht ginge“. Aber – frech wie wir waren – wir hatten sie am Haken, die Amis!

Zur Verpackung der Tremolos und anderer Hardware hatten wir uns eine Skin-Pack-Maschine gekauft. Da legt man das Zeugs auf eine etwa DIN-A2-große Pappe, zieht von einer Rolle eine transparente Folie drüber, und während ein Heizelement von oben die Folie erwärmt, schaltet man eine Vakuum-Pumpe ein, die die Folie über die Hardware auf die Pappe saugt and verklebt. Für die Pappe hatten wir ein neues Design entwickelt, um für die Amis unser „Made in Germany“ zu unterstreichen – Hermann der Cherusker mit einer Rockinger Rocket in der gereckten rechten Hand. Heute eher zweifelhaft…
Hermann der Cherusker
Rockinger USARockinger USA
Rockinger USA
Rockinger USA

Tellybrator  & Bass-Tremolo



Und es gab alsbald nicht nur den Tellybrator mit Feinstimmern und der unsichtbaren Druckfeder unter der Bodenplatte, sondern sogar auf Henner Malechas Drängen ein Bass-Tremolo mit Feinstimmern.

Messing?

Praktisch sämtliche Hardware unseres Programms war ja dank der Firma Müller & Sohn aus Messing gefertigt, weil das einfach das am besten zu bearbeitende Material war, um Teile in kleinen Serien per Fräsen und Bohren herzustellen. Kurz drauf kam nun die Firma Schecter mit ihren exklusiven Fender-Kopien, ausgestattet mit Messing-Hardware auf den Markt, was einen neuen Boom auslöste: Messing – das Non Plus Ultra für den Sound! Wir haben natürlich sofort für uns dieses Produkt-Merkmal mit vollem Erfolg in den Vordergrung gerückt. Wir haben sogar Madenschrauben aus Messing für die Höhenverstellung der Einzelbrückchen machen lassen – für noch mehr Sustain! Oder unser Wrap-Around-Einteiler: „Totales Sustain aus einem halben Pfund Messing“!

Heute sehe ich das etwas mit gemischten Gefühlen. Da werben sogar bestimmte Hardware-Hersteller damit, ihre Produkte seien aus „Glockenbronze“ hergestellt. Das kann einfach nicht sein! Glockenbronze ist in dieser Form nicht am Markt erhältlich! Und nichts gegen Messing! Messing hat dank seiner molekularen Struktur und Härte echte klangliche Vorteile und rostet nicht. Aber alsbald kam auch die Theorie auf, dass das alte 60er-Jahre Strat-Tremolo mit seinem rostigen Tremoloblock samt Grundplatte aus Stahl einfach am besten klang. Who kows it?

Fazit: Hier wurde viel propagiert um des schnöden Mammons willen, aber letztlich ist die Konstruktion eines Hardware-Teils doch das Wichtigste, um eine gute Übertragung der Saitenschwingung in das Gitarrenholz zu gewährleisten.


Karl Gölsdorf

Hier sei noch erwähnt, dass mein Urgroßvater Karl ein genialer Erfinder in Sachen Dampf-Lokomotiven war. Für die österreichischen Staatsbahnen hat er über die Zeit nicht weniger als fünfundvierzig Modelle entworfen und dazu die sog. Gölsdorf-Achse erfunden, die bei Lokomotiven mit mehr als zwei Achsen, den zusätzlichen Achsen ermöglichte, sich in Kurven horizontal zu verschieben, um sich so dem Radius der Kurve anzupassen.
Karl Gölsdorf
In Wiens erstem Bezirk haben sie eine Straße nach ihm benannt und im Internet kann man noch heute seinen Fanclub googeln.



Mac Wonderlea

Mac Wonderlea
Dieser Mac war ein wunderbarer Schreiber für’s damalige Fachblatt und unser Fan der ersten Stunde. (Außerdem hatte er sich während unseres ersten Musik-Messe-Auftritts ein wenig in unsere Buchhalterin Gerda Maus verguckt. Na ja, da war ihr Nachname schon Programm …) Davon abgesehen stand er  auf unsere Produkte, beschwor nahezu unsere positive Energie und liebte unsere bisweilen abstrusen Anzeigen. Und er war Gitarrist, hatte ein Studio in der Nähe von Leverkusen und war Fan von Frank Sinatra. Aber leider auch Fan von harten Drinks, was ihn letztlich in den 90er Jahren unter die Erde gebracht hat. Ein echter Verlust (und nicht nur, weil er immer nette Sachen über uns geschrieben hat).

1983 – Jörg Sürie

Jörg Sürie
Im Januar 1983 fing Jörg Sürie als kaufmännische Fachkraft bei uns an, weil weder Züli noch ich die hinreichend begnadeten Kaufleute waren und wir Rockinger organisatorisch noch mehr nach vorne bringen wollten. Jörg schaute mehr auf die Zahlen und kriegte alsbald den Spitznamen „Jake“ – ich weiß nicht mehr, ob das einer der Typen aus den TV-Serien „Dallas“ oder „Denver“ war. Hier sieht man ihn zur Rechten, links Pierro Terracina von der Company Magnetics. Die produzierten in Rom aktive Pickups in EMG-Manier und wir hatten den Vertrieb für Deutschland übernommen.
Magnetics
Hier mal eine schräge Kreation von Horst – die Klo-Caster:
Klocaster

1984 Der Tremolo-Klau

Der Gitarrenmarkt wurde weiterhin von Finetuning-Tremolos mit Klemmsystemen dominiert: Floyd Rose, Kahler und Rockinger. Kahler hatte ich noch nicht erwähnt. Das war ein aufrechter Kalifornier, Gary mit Vornamen, der frästechnisch aus Messing jede Menge Gitarren-Hardware für Schecter und andere Firmen herstellte. Alle weit vorne im schwer umkämpften Business. Und wenn es was abzugreifen gab, waren auch die Japaner schnell dabei, diese gut verkäuflichen Dinge zu kopieren. Zu unserem Schrecken mussten wir nämlich im US-amerikanischen „Guitar Player“ Magazin eine Anzeige entdecken, die eine fast originalgetreue japanische Kopie unseres Les Trems zeigte. Wir waren natürlich stocksauer darüber.
Horst
Im März gingen wir wieder auf die Musikmesse. Horst hatte extra dafür eine transportable Schallkabine gebaut. Heiliger Joseph, welch Mengen von Material haben wir nach Frankfurt gekarrt! Aber wir waren die Kings mit unseren Tremolos und Binding-Gitarren und –Bässen. Und man traf damals immer eine Menge illustrer Leute auf dieser Veranstaltung.

Und hier in Frankfurt nahm der Produkt-Klau noch ganz andere Formen an. Gary Kahler erschien äußerst aufgebracht auf unserem Stand und berichtete, dass es da eine japanische Firma namens „Rokkoman“ gäbe, die Kopien von allen derzeit erhältlichen Feinstimmer-Tremolos anböte und diese sogar in ihren Preislisten als „Floyd Rose Tremolo“, „Kahler Tremolo“ und „Rockinger Tremolo“ spezifizierten. Diese Preisliste hatte er dabei, alles schwarz auf weiß. Mir stockte der Atem. Diese elenden Raubritter!
Gary Kahler und ich
Doch was tun? Erstmal mit Mac Wonderlea sprechen, dem alten Haudegen. Diese Ungeheuerlichkeit muss einfach über die Medien in die Öffentlichkeit getragen werden, die Japaner müssen  bloßgestellt werden! Der Plan: Alle Betroffenen samt einem Pulk von Medienvertretern hin zum Rokkoman-Stand und diese Leute aufmischen. Dennis Berardi von Kramer war schnell zu gewinnen, gleichermaßen jemand vom Guitar Player. 

Am nächsten Morgen sind wir dann tatsächlich mit rund. 40 Mann bei den Rokkomans aufgekreuzt und haben die zur Rede gestellt. Was das denn solle, und ob sie nicht auf die Idee gekommen wären, mal nach Lizenzen für ihre Kopien nachzufragen. Und weil es das Schlimmste für den Japaner schlechthin ist, sein Gesicht zu verlieren, war der sofort zerknirscht und zu jeglichen Eingeständnissen bereit. Ich weiß bis heute nicht, was in deren Hirnen abging. Vielleicht eine andere Form vom Moral-Verständnis? Ein absolut fehlendes Unrechtsbewusstsein in diesen Dingen. 

Gary Kahler hatte schon ausfindig gemacht, dass hinter all dieser Kopiererei die japanische Firma „Takeuchi“ stand. Immer wieder warf er diesen Namen in die Debatte. Hier ein Foto der Takeuchis, welches mir damals zugespielt wurde.
Takeuchi Crew
Na ja, die Rokkomans, die auch andere Produkte anzubieten hatten, haben jedenfalls sofort alle Preislisten vernichtet und eine Kooperation angeboten. Am nächsten Morgen hatten alle Rokkoman-Standmitglieder rote, verweinte Augen. Vielleicht habe ich mir das auch nur eingebildet, aber heulen auf Befehl „von oben“  können die ja tatsächlich. Das sind Sachen, die man als Nicht-Japaner kaum glauben mag. Und wer schon derart dreist fremde Produkte abkupfert, dem ist eigentlich auch generell nicht über den Weg zu trauen. Und so kam es dann auch. Irgendeine Lizenzzahlung haben wir nie erhalten, obwohl wir kurz darauf einen entsprechenden Vertrag aufgesetzt haben.

Aber da war es, das neu "R"-Logo!

Nun aber etwas Technik…

Üblicherweise hat eine professionelle stationäre Oberfräse (auch Kopierfräse genannt) einen absenkbaren, hochtourigen Motor mit Aufnahmefutter für Fräser verschiedener Durchmesser und Profile. Zentrisch darunter befindet sich eine Aufnahme für auswechselbare Führungsstifte, ebenfalls verschiedener Durchmesser. Die greifen in die Einfräsungen der Schablonenböden, sodass sich der Body nur so weit bewegen lässt, wie der im Tisch befestigte Führungsstift dies zulässt. Somit wird die Form der Schablone sauber 1:1 in den Body kopiert. Und sollte eine Fräsung – aus welchem Grund auch immer – zu klein sein, wechselt man einfach den Führungsstift gegen einen kleineren aus, sodass der Fräser etwas mehr wegnehmen kann.

An dieser Maschine haben wir auch die Bindings gefräst. Da nimmt man z.B. einen Führungsstift von acht Millimeter Durchmesser und einen Fräser von zwölf Millimeter Durchmesser, der dann rundum zwei Millimter wegnimmt. Man achte auf den schönen Aufkleber, den Horst auf den Fräsmotor geklebt hat (10 Jahre Alkohol am Steuer)!
Fräsung

Opa Osburg:

Unsere grandiose Bundsägemaschine hat dieser gewisse Friedel Osburg gebaut. Der war ein alter Russlandkämpfer, den „zu seinem Glück“ ein Granatenquerschläger am Bein erwischt hatte. So konnte er hinkend heim und ist dem Inferno von Stalingrad entgangen. Osburg - gestorben Mitte der 90er - war Mechaniker und hatte eine Werkstatt im Arbeiterviertel Hannover-Linden. Also, der war kein normaler Schlosser, sondern schon wesentlich ausgefuchster: zwei Drehbänke, Fräs- und Stanzmaschinen und sonstwas. Ein gewisses Problem war aber, dass man bei jedem Besuch anfangs mindestens eine halbe Stunde Russlandgeschichten über sich ergehen lassen musste. Aber immerhin in jenem wunderbaren Lindener Dialekt: „Der Russe hatte ja auch Weiber in der Armee, und die waren härter als die Männer. Immer mit dem Bajonett voll rein, wie die Tiere"! Russland hin, Russland her, Friedel Osburg war kein Nazi und ein findiger Kopf. Er hat alles für unsere Maschinen gemacht: Unmengen von Anlauf-Stiften und -Ringen für unsere Kopierfräsen, Verleimpresswerkzeuge für Bodies und so Einiges mehr. Einfach wunderbar! Dazu ein Stanz- und Biegewerkzeug für die Trussrod-Getriebe-Verstellung unserer ersten Duesenberg Metal-Gitarren in den 80ern. Wenn er eine gute Idee für uns hatte, pflegte er zu sagen: „Da will ich Euch mal schlau machen!"


Eben unsere Bundsägemaschine, ein echt geniales Monster! Eine dicke Welle mit 24 Sägeblättern und davor montiert eine von einem Kettengetriebe schwenkbare, äußerst massive Einheit, auf die man vier verschiedene Hälse einspannen konnte. Der Hals schwenkte dann auf Knopfdruck durch die Sägeblätter, alle Bundschlitze auf einmal gesägt und fertig. Allerdings hatten wir stets gewisse Bedenken bezüglich der Sicherheit, weil dieses Eintauchen von über 20 Sägeblättern in das Griffbrettholz bei diesem Sägevorgang eine Mörderkraft bedeutet. Helm tragen war angesagt. Einmal hat es tatsächlich beim Einsägen einen Basshals zerlegt und einige Sägeblattsplitter flogen durch den Raum. Angst und Schrecken samt finanziellem Schaden.

Auch war es Opa Osburg, der die nippelförmigen Potiknöpfe unserer Heilmann-Gitarre an der Drehbank kreiert hat, was kein leichter Job war. Und er war immer noch interessiert an Frauen und Geschlechterverkehr. Einmal bemerkte er so nebenbei, dass er „seine Alte“ doch noch manchmal morgens auf den Haken ziehen würde … Außerdem pflegte er mittags auf dem Hof mit seinem Luftgewehr auf Tauben zu schießen. Und er besaß eine kleine Schwarzbrennerei, ein großes gläsernes Gebilde aus diversen Leitungen und Kübeln, worin er insbesondere Kartoffelschnaps brannte: Selbstverständlich illegal.


Lack mit Sascha

Lackieren mit Sascha
Die meisten Gitarrenbauer und kleineren Manufakturen ließen damals bei der Firma Clover in Recklinghausen lackieren. Die machten das super, aber diese ewige Hin-und-her-Schickerei per Post oder UPS war echt nervig. Und auch der Lackierer, den wir in der Nähe Hannovers aufgetan hatten, war prima. Aber es war halt immer noch diese Fahrerei nötig. Hinbringen, abholen. Hinbringen, abholen …. Also beschlossen wir, auch das Lackieren selbst in die Hand zu nehmen. Ein eigener, amtlicher Lackierer musste her! Und tatsächlich sind wir darüber auf unseren Sascha gestoßen. 

Sascha, gebürtiger Russe, und nun fernab der Heimat, wollte eigentlich (wie wohl alle Russen) Kosmonaut werden, logo. Hat dann aber auf wundersame Weise im bayerischen Geigenbauer-Mekka Mittenwald eine Gitarrenbaulehre absolviert. Doch im dortigen Betrieb hatte er (ausgebeutet, wie die meisten Lehrlinge) hauptsächlich lackiert, wusste von daher also rundum Bescheid! Bernd Röttger, stets ein Mann der Tat, hatte kurz zuvor die Lackierkabine konstruiert und zusammengeschweißt. Wir waren gerüstet.

Produktion – jetzt aber!

Nach dem großen Werkstattumbau haben wir dann richtig losgelegt. Unsere Maschinerie wurde immer ausgefuchster, insbesondere auch durch die liebreiche Hilfe von Opa Osburg. Z.B. einen genialen Bunddraht-Abschneider. Genial, einfach mit zwei etwa 15mm dicke Stahlscheiben auf einer Achse und außen Löcher mit verschiedenen Durchmessern für verschiedene Bunddrahtmaße. Bunddraht kauft man ja en gros auf Rollen. Den Draht steckt man durch die beiden Löcher, verzieht per langem Hebel eine Scheibe gegen die andere, und knacks ist der Draht durch, fertig! Und dazu einen Anschlag für die richtige Länge!
 

Winkelmann

Nun fing auch der Tischler Klaus Winkelmann bei uns an. Der war zuständig für die Holz-Vorarbeit, d.h. formatieren, abrichten, verleimen, auf Dicke hobeln und Form fräsen. Und wir hatten eine gigantische Absauganlage für Späne und Staub installiert, dicke silberne Rohre zogen sich durch die Räume.
Body Workshop
Altendorf
Hälse fräsen
Holz
Holz Winckelmann
Winckelmann Body Routing
Benze Fräsen

1983 – NAMM- und Buddy in Chicago

Im Laufe der NAMM-Musik-Messe haben wir zusammen mit Bernard Ayling eines Abends einen waghalsigen Ausflug in die South Side gemacht. Ein gewisser Buddy Guy hatte da einen Auftritt. Ich wusste gar nichts von dem, aber laut Bernard wäre er der Beste. Und dass Jimmy Hendrix sich bei dem spiel- und soundmäßig bedient hätte. Buddy Guy hat mich echt umgehauen. Heißer Blues in der Checkerboard Lounge in Southside Chicago. Ein total verwarztes Lokal mit wilden schwarzen Typen und dicken schwarzen Frauen, die dauernd irgendwelche anmachenden Obszönitäten gen Bühne grölten. Und Buddy gab freche Sprüche zurück und erzählte locker kleine Geschichten. Jedenfalls voll Rock’n’Roll und eine unglaubliche Laut- und Leise-Dynamik, angereichert durch totale Interaktion mit dem Publikum. Eine mir bis dato völlig unbekannte prickelnde Atmosphäre. Wer Buddy Guy nicht kennt, hat was versäumt! Ein privater Chauffeur hat uns dann sicher zurück zu unserem Hotel gefahren, denn in der South Side geht man besser Null Risiko ein …

Ach ja, auf der Namm kamen dann sogar Leo Fender und George Fullerton vorbei und beguckten unsere Tremolos. „So you got some nice things.“, kommentierte Leo.
Bernard mit Leo Fender